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Sensationsgeil 

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Alle Fünf saßen am selben Tisch, doch wirkte der Tische eher wie eine Barrikade, die zwei Parteien voneinander trennen soll, als ein Ort an dem man zusammenkommt, um gemeinsam etwas zu besprechen. Auf der einen Seite saßen ein bärtiger Mann und eine Frau im Hosenanzug. Auf der anderen Seite saßen zwei TypInnen und ein Typ. Die Eine, eine unbezahlte Praktikantin, die Andere, eine Frau (normal), der Andere, der Typ, ein Typ mittleren Alters. Der Raum war weiß wie die sterilen Räume im Fernsehen; leer von jeglicher Ablenkung. Sie starrten auf eine Tafel, die an der Wand hing. Auf der Tafel standen die Worte „Terror“ und „Sex“.

„Ok! Weiter, das ist ja schon gut!“, sagte der Mann mit Anzug und Bart, der aufgestanden war, und stützte sich mit seinen Händen auf den Tisch. Die Geste diente wohl vor allem der Show. Er war durchtrainiert bis in die letzte Sehne. Er schien sehr viel Zeit vor dem Spiegel zu verbringen; beinahe mehr Zeit als in der Arbeit, oder seinem Sportwagen. Solche Typen haben immer einen Sportwagen, auch wenn er auf Kredit gekauft ist. Das macht das Ganze noch viel spannender. Da kommt im Auto zum Geschwindigkeitsrausch noch der Rausch der unsicheren Finanzen und am Wochenende der vom Sekt dazu. Er blickte aufmunternd in die Runde. Die Frau im Hosenanzug nickte, von hinter ihrem teuren Markenlaptop, in die Richtung der anderen drei Personen am Tisch. Sie schaffte es irgendwie gleichzeitig anwesend und abwesend zu sein. Der Typ schien angestrengt nachzudenken. Er hatte seine Hand in den Haaren und die Brille hing ihm schief im Gesicht. Auch die unbezahlte Praktikantin war stark am überlegen und klopfte mit ihrem Kuli auf ihr Klemmbrett, während sie sich auf die Zunge biss. Die Typin (normal) sah verwirrt von dem bärtigen Mann hin zur honsenanzüglichen Frau und wieder zurück.

„Gott!“, schrie der Typ und die Praktikantin nickte. Der bärtige Mann starrte ihn konzentriert an, schien aber nicht klar zu verstehen, was der Mann meint. Erst nach einem kurzen Moment ging ihm innerlich eine Flutlichtanlage auf und er drehte sich zur Tafel. „Ja! Das schreiben wir zu Terror, das kann man sicher verbinden.“ „Eher Religion, oder?“, fiel die Praktikantin ein und mit einem Nicken notierte der Bart neben „Terror“ „Religion“.

„Das ist nicht ihr Ernst“, flüsterte die Typin (normal), doch es ging unter im Geschrei der Praktikantin: “Sport und Drogen!“ „Ja genau!“ All das ging spurlos an der Hosenträgerin auf der Seite des Bartes vorüber. Ihr totes, ausdrucksloses Gesicht wurde vom teuren Markenlaptop erleuchtet; aber bei diesen Maschinen ist es so wie bei allen, die andere erleuchten: sie zeichnen sich durch eine Gleichgültigkeit aus, WEN sie illuminieren, solange man ihnen (oder ihren Stellvertretern auf Erden) für die Erleuchtung nur genug Geld vor die Füße, in den Rachen, oder generell in ihre Richtung wirft.

Der Mann hatte in Eigeninitiative noch „Regionalpolitik“ auf die Tafel geschrieben und der Typ meldete sich mit „Promis“. Die Praktikantin schrieb alles brav mit dem Kuli auf ihrem Klippboard mit und verband die einzelnen Wörter. „Wieso nicht gleich: Tod und Verderben?“, schrie plötzlich die Typin (normal). Sie war immer erregter geworden und stand jetzt auf, dem Bärtigen gegenüber. Dieser strahlte plötzlich über beide Ohren, drehte sich Richtung Tafel um, und notierte prompt den Vorschlag.

„Das können wir nicht machen! Ich war noch nie mit der Richtung einverstanden, die wir hier einschlagen, aber das geht zu weit. Wir können doch nicht einfach hergehen und diesen Schund…“ Die anzügliche Hosenträgerin meldete sich mit einer tiefen, unnatürlichen Stimme zu Wort, die die Typin (normal) sofort verstummen ließen: „Unsere Marktanalysen haben gezeigt, dass der neue, moderne Konsument genau das von uns verlangt.“ „Aber Zahlen können doch die Qualität nicht gänzlich ersetzen! Es war ja immer schon Grenzwertig, aber das…“ „Die Zahlen lügen nicht!“, dröhnte die Hose „die Wahrheit ist für den Konsumenten nicht mehr interessant. Es geht um Sensationen“. Der bärtige Mann stand vor der Tafel und schien von dieser Auseinandersetzung nichts mitbekommen zu haben. Aus seinen Augen leuchtete eine kindische Freude. Die Typin (normal) sah hilfesuchend zu den anderen Beiden. Der Typ hob seine Schultern und ließ sie wieder sinken und die Augen der Praktikantin, die blind mit Ambition waren, hüpften nur wild über ihr Klemmbrett. Ohne ein weiteres Wort zu sagen verließ die Typin den Raum. Die Hosenanzugträgerin blickte ihr kurz nach und mit einem Kopfschütteln sah sie wieder in ihren Laptop.


Am nächsten Tag stand in der meistverkauften Zeitung des Landes auf Seite Eins der folgende, quintessentielle Sensationsartikel unter dem Bild einer nackten Frau, die mit drei Pandababys jongliert.

Wien: Bürgermeister bei satanistischem Ritual nackt mit Starfußballer ertappt.

Der Wiener Bürgermeister wurde in der Nacht auf heute in seinem Büro von den Behörden auf frischer Tat ertappt, als er gerade dem splitternackten Fußballer, Marko Arnautovic, ein Messer in die Brust rammen wollte.
Der Bürgermeister hatte sich, laut einer anonymen Quelle, während der dienstäglichen Orgie in einen sexuell-religiösen Wahn gesteigert. Plötzlich verlangte er, wie von Augenzeugen berichtet wird, vom üblichen Hühnerblut nicht mehr befriedigt, nach einem Menschenopfer. Die Anwesenden wählten aus ihrer Mitte den Fußballer Arnautovic, der mit glühenden Ketten an den Altar im Büro des Bürgermeisters gefesselt wurde.
Die Behörden wurden von einem Beamten alarmiert, den die Schmerzensschreie des Fußballers aus seinem Schlaf gerissen hatten. Der Beamte, in dessen Zuständigkeitsbereich die Sicherheit ihrer Kinder fällt, war nach einem ausgiebigen Mittagessen auf Kosten des Staates und einem sexuellen Übergriff auf seine Sekretärin in seinem Büro betrunken eingeschlafen. Geheimdienste sind sich sicher, dass der Mann von Ausländerfluten und Attentaten auf diverse wichtige österreichische Institutionen geträumt hat. Er alarmierte jedoch, aus Zorn über die Störung, noch im Halbschlaf, die Polizei.
Die Polizeidienststelle war zu dieser Zeit nicht besetzt, da die Beamten vor Ort gerade bei einem Hahnenkampf die Pensionen unserer Staatsbürger verjubelten und so konnte der Beamte nur auf den Anrufbeantworter der Polizei Wien sprechen. Ja liebe Leser, es gibt nur einen Anrufbeantworter für ganz Wien. Unsere Redaktion ist so schockiert wie Sie. Allerdings war das Telefon im Büro des Beamten bereits von amerikanischen Geheimdiensten angezapft und diese konnten schnell genug eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern.
Unter den Anwesenden bei der Orgie befanden sich, neben den bereits erwähnten Personen, zahlreiche Ausländer, Investmentbanker, Jihadisten, drei Chinesen mit einem Kontrabass, andere hochrangige Politiker und andere zwielichtige Gestalten. Der Steuerzahler fragt sich natürlich, zu Recht, warum er für solche Sachen aufzukommen hat. Es gilt, wie immer, die Unschuldsvermutung.

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