Inspiration
- alrasumofsky
- 17. Jan. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Die Leute fragen mich immer wieder, wo ich meine Ideen hernehme.
Ok… tun sie nicht.
Da das aber ein sehr kurzer Blogpost wäre, wenn ich es damit bewenden lassen würde, werde ich jetzt mal so tun, als würden mich die Leute fragen, wo ich denn immer meine Ideen hernehme.
Tja, wenn ihr mich schon nicht mit euren Fragen in Ruhe lasst, wenn ihr schon so in mich drängt, will ich mal nicht so sein und es euch verraten, denn es ist ja nicht gesagt, dass man als AutorIn, als KünstlerIn, als SchreiberlingIn und BücherwurmIn immer auf IdeenIn kommt. Tatsächlich gibt es viele Menschen, die ihr Leben lang auf die richtige Idee warten, nur um dann 10 Sekunden nach der großen Eingebung von einer Straßenbahn überrollt zu werden, den Unfall zu überleben, ins Krankenhaus zu kommen, wochenlang auf der Reha-Station zu liegen, mühevoll wieder gehen und sprechen zu lernen, und dann draufzukommen, dass die Idee eigentlich doch nicht so gut war.
Enttäuscht denken sie dann wieder nach und haben dann noch eine Idee. Vielleicht erfinden sie ein neues Salatdressing, dessen geheime Zutat Meerrettich ist… oder mehr Rettich. Oder sie entwickeln eine Methode, wie man Briefmarken effizienter befeuchtet. Oder sie stricken kleine graue Pullis, die so chic sind, dass die Pariser Modewelt kopfsteht (oder auf den Beinen, das bleibe der Pariser Modewelt überlassen, die ja immer wieder versucht, modischere Wege zu finden, um ihre Begeisterung durch Stehen auf verschiedenen Körperteilen zu zeigen).
Doch irgendwann flaut das Interesse ab. War man am Zenit des Ruhms noch auf Banketten geladen, so sind es jetzt nur noch Soireen und auch die Einladungen zu Happenings werden immer seltener und durch Einladungen zu Get-togethers ersetzt. Tragisch wird es eigentlich erst, wenn sie sich dann abgestempelt sehen. Die gefeierten Ideenkünstler der Vergangenheit werden abgestempelt.
Ah! – sagen die Leute – das ist doch die Dressingtina/ der Pullovermike/ der Briefmarkenkarl
„Aber bin ich nicht mehr?“, denken sie sich dann und sie zweifeln und verzweifeln.
Sie haben den Tiefpunkt ihrer Karriere. Das one-trick-pony, das one-hit-wonder, das blinde Huhn mit seinem Korn, wird nun gar nicht mehr geladen, nicht mal mehr als Pappfigur im Supermarkt sind sie erwünscht und sie fallen in ein tiefes Loch. Und sie saufen, und sie schlafen viel und sie unterscheiden sich in ihrer Existenz wenig von der des Frosches, der an seinem Teich sitzt und wehmütig der Vergangenheit hinterherquakt und sich darüber ärgert, dass er sich überhaupt Beine hat wachsen lassen, um zu springen, um über die anderen hinwegzuspringen, nur um dann so tief zu fallen. Und sie denken sich, wie wir alle in unseren dunklen Momenten, „wäre ich doch nur Kaulquappe geblieben!“
Aber in dieser dunklen Stunde kommt ihnen Hilfe. Von oben herab kommt ein Lichtstrahl, der sie zuerst vorsichtig kitzelt, dann immer stärker anstachelt und ihnen zuletzt einen Tritt in den Arsch gibt. Etwas geschieht mit ihnen, sie finden Hilfe. Sie kommen mittlerweile nicht mehr einfach aus einer göttlichen Eingebung heraus, wie vom Blitz getroffen, auf Ideen. Nein! Aber das müssen sie auch nicht, denn sie haben eine Starthilfe, einen Katalysator, einen Lichtstrahl eben. Ihre schöpferische Kraft hat einen geheimen Treibstoff bekommen – für immer mehr Menschen aus der kreativen Mittelklasse ist dies Kokain; ich höre gute Dinge. Sie haben eine Muse, oder einen Muserich, der mit seinen Launen ihre Kreativität einmal befeuert und im nächsten Moment mit seinen Kapriolen jeden Gedanken an das Schaffen zunichte macht, weil er auf den Wochenendausflug ins verregnete Venedig besteht und die Dressingtina ihm ständig die Beine rasieren muss, weil er nur so zum Orgasmus kommt. Oder sie liegen stundenlang in einem dunklen Zimmer und berauben sich selbst jeglicher visueller, auditiver und olfaktorischer Reize, um so in einem Zustand völliger Einheit mit der Stille zu erreichen und auf die großen Eingebungen des Alls zu warten, bis sie durch das Donnergrollen ihres eigenen Furzes aus einer dem Buddha ähnlichen Trance gerissen werden. Wie gesagt. Ihrer schöpferischen Energie liegt ein Geheimnis zugrunde, das sie mitnehmen werden in ihr Grab.
Und sie tauchen wieder auf. Zuerst noch in Meldungen wie:
„Man kennt ihn als Briefmarkenkarl, doch mittlerweile verkauft er auch selbstbefeuchtende Lutscher“
„Mehr Rettich war gestern, die Zukunft gehört der Gurke“
Oder „Sie lieben den Pullover? Dann haben sie noch nicht den Wollbikini gesehen“
Und plötzlich schweigen ihre Kritiker. Manche werden sogar zu Fans, Freunden und Bewunderern. Selbstleckende Lutscher sind überall, Regenwälder werden abgeholzt, um Gurkenfelder zu pflanzen. Modezaren schmücken ihre Helikopter mit Wollbikinis, und sie haben es geschafft.
Und wenn sie es dann geschafft haben, wenn sie endlich ganz oben sind – mindestens aber im vierten Stock, wenn nicht sogar im fünften – wenn sie begehrt, berühmt und bewundert sind, wenn sie ihre zweite Frau für die vierte verlassen haben, nur um zur dritten zurück zu kommen. Wenn sie ein Album, ein Parfüm und eine eigene Katzenrasse herausgebracht haben, die alle „Sensation“ heißen, dann kommt er. Ungeahnt kommt er. Er kommt unerwartet: der Durchbruch; Blinddarm, oder sonstig und es nützt ihnen alles nichts und sie liegen im Sterben und schlussendlich hatten sie dann doch vielleicht nicht die rettende Idee, sondern nur ihre Zeit vergeudet.
Und die Modewelt steht nicht mehr Kopf und alles muss wieder selbst geleckt werden und den Salat isst man wieder ohne Rettich und wir pflanzen wieder Regenwälder, weil plötzlich die Umwelt wieder in ist und überhaupt haben wir sie wieder vergessen. Wir leben, als wären sie nie da gewesen und die großen Ideen waren doch nur kleine Einfälle, die uns für eine kurze Zeit unterhalten haben.
Also wo waren wir? Aja! Ihr wolltet wissen, woher ich meine Ideen nehme. Also. Genug der Umschweife, der Querverweise, der Allegorien, der Beispiele, Ausschmückungen - Gedankenstriche -Schachtelsätze, die dann eigentlich wieder nirgendwohin führen und keine neue Informationen bringen, und der absurden Geschichten, wie die vom kleinen Prinz, der in Wahrheit viel lieber ein Radiergummi gewesen wäre.
Ich komme auf meine Ideen, indem ich mich hinsetze und sie mir einfallen lasse.








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