Kaufhaus Österreich. Der größte Coup der Regierung bisher.
- alrasumofsky
- 14. Feb. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Ich war einer von denen. Ich gebe es zu. Ich war einer von denen und ich schäme mich. Ich war einer von denen, die an unserer Regierung gezweifelt haben. Doch im Kaufhaus Österreich sehe ich nun endlich den größten Triumph unserer Regierung bisher.
Oh Leserlein, ich will dir meine Zweifel nicht vorenthalten. Dieses Jahr war ein großer Test für meine Regierungstreue. Die erste Prüfung legte mir das Schicksal nach der Terrornacht in Wien auf, als immer klarer wurde, dass es ein gewaltiges Behördenversagen gegeben hatte. Mehr will ich nicht darüber sagen. Die nächste Glaubensprüfung wurde mir auferlegt, als die Arbeitsministerin Aschbacher zurücktreten musste. Ich nahm den Satz aus ihrer Doktorarbeit, den ich mir einrahmen hatte lassen, von der Wand, denn ich fühlte mich von den Worten plötzlich betrogen. Zuvor hatte ich noch mein Leben nach ihren Worten gelebt:
„Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns.“
Überall hatte ich Annahmen und Seepocken gesucht und gefunden, war sie losgeworden und bewegte mich mit einer neugefundenen Geschwindigkeit durch die Wogen des Lebens. Doch nachdem ich gehört hatte, dass diese große Weisheit nicht aus der Feder der Arbeitsministerin selbst stammte, sondern aus der des Google-Übersetzers, ließ ich mir einfach einen Termin im Tatoostudio geben, damit ich den Spruch nicht nur von meiner Wand, sondern auch gleich von meinem Körper entfernen lassen konnte. Ich zweifelte auch als die Sektionschefin unseres Rudi – die nächsten Wochen werden eine besondere Herausforderung für uns alle – Anschober in der Zib sagte, man könne die Impfungen nicht schneller verteilen, weil der Plan vor einem halben Jahr anders festgelegt worden war. Ich zweifelte. Oh Leserlein, ich zweifelte.
(hier zum Nachschauen https://www.youtube.com/watch?v=Q1cYVMPn6v0)
Ich war verwirrt von dieser rekursiven Logik. Der Plan war so, weil der Plan so war. Heute erkenne ich natürlich diesen rhetorischen Kniff als Triumph des Geistes, doch damals zweifelte ich. Ich fand mich an meinem kleinen Wohnungsschrein für den heiligen Sebastian ein, in meinem kleinen Kleinwalsertal, und betete. Und ich wurde ich erhört!
In der Stunde meiner tiefsten Zweifel, meiner Not! (never mind the chronology, dear reader) erschien ein Licht! Die göttliche Offenbarung hatte nicht nur mich getroffen, sondern auch die Bundesregierung. Das Kaufhaus Österreich wurde präsentiert!
Dieses Geschenk Gottes sollte ein Versuch sein, Amazon in die Knie zu zwingen (Tatsächlich will Jeff Bezos mittlerweile als CEO von Amazon zurücktreten und ich kann nur vermuten, dass es aufgrund der hoffnungslosen Konkurrenzsituation mit dem Kaufhaus Österreich geschieht). Der österreichische Staat fuhr alle Geschütze auf, stellte mehrere Subunternehmer ein, gründete Thinktanks und Fishtanks und entwarf einen Shop, der die Kund*innen mit einem einfachen Design und mit einer intuitiven Benutzeroberfläche verzaubern sollte.
Man kann sich das Meeting vorstellen, bei dem die Bundesministerin für Digitalisierung Margarete Schramböck sich mit dem Präsident der Wirtschaftskammer Harald Mahrer einen Schlachtplan ausdachte. Wie gern wäre ich dabei gewesen. Ich stelle es mir so vor:
„Es muss sein wie Amazon, nur besser.“
„Ja! Wie Zalando, nur intuitiver.“
„Aber wie wollen wir das anstellen?“
„Keine Ahnung… bei uns in der Partei sind Laptops nicht in Verwendung. Ich kenn mich mit dem Zeug nicht aus.“
„Hmm. Ja… Meine Brieftaube hat auch kein W-Lan.“
„Ich weiß was! Wir holen uns ein Subunternehmen her!“
„Ja! Ein Subunternehmen. Was kann das schon kosten? Die sind sicher begeistert von unserem Vorhaben und passen dementsprechend ihre Preise an.“
Gesagt, getan. Man heuerte eine Firma an, die eine Alternative für die österreichische Bevölkerung bot, der man Shöpping nicht zumuten wollte. Ein Triumph! Wie die Maßnahmen gegenüber Tirol in den letzten Tagen. Ein Triumph auf voller Linie! Einzelne Ungläubige sprachen von Unübersichtlichkeit. Sie sprachen davon, dass man bei der Suche nach einem Elektriker weiterverwiesen wurde zu Alpaccas, doch ich habe mich gefreut! Als das Licht ausging und die Wohnung kalt war, war ich froh über das Pelztier! Wie hätte mich der Elektriker angeschaut, wenn ich mich an ihm wärmen hätte wollen? Ich zündete eine Kerze im Schrein des heiligen Sebastian an und dankte ihm für das Geschenk des Kaufhaus Österreich, während ich mit meinem Alpacca kuschelte.
Doch die Unkenrufe wurden lauter. Immer öfter hieß es, „das funktioniert ja nicht“, „das ist so Übersichtlich wie ein Fisch“ und unter die Häretiker mischten sich neue Stimmen, die behaupteten, die neue tolle Website sei zu teuer. Diese Kleingeister wollten uns weismachen, dass diese Firmen für die Arbeit an der revolutionären Onlineplattform zu viel verlangt hätten. Sie wollten uns sogar sagen, dass wir in einem Seminar an der TU Wien wahrscheinlich ein paar Student*innen/Roboter*innen gefunden hätten, die dieselbe Arbeit die die österreichische Regierung ein paar Hunderttausend Euro gekostet hatte, für ein paar hundert Euro erledigt hätten. Aber dabei hatte es wirklich nur ein paar wenige tausend Euro gekostet, die kaum in der Bilanz unseres großen schönen tollen Finanzministers auffallen würden (der sich jetzt mit haltlosen Korruptionsvorwürfen konfrontiert sieht).
Die Leute verstanden einfach nicht, dass sich sowas schnell summieren kann. Da will man noch eine kleine Funktion mit dazu haben, ein Chatfenster einbauen oder vielleicht die Suchmaske noch ein bisschen unvorhersehbarer gestalten (für den Überraschungseffekt!), und schon sieht man sich mit Kosten im Millionenbereich konfrontiert. Aber welcher kleine Websitebetreiber kennt das nicht? Man hätte gerne eine Seite, auf der die Datenschutzinfos angezeigt werden, und kriegt eine Rechnung über zweihundertdreißigtausend Euro präsentiert. So ist das eben am Markt und unsere Digitalisierungsministerin wusste das (denn sonst wäre sie ja unqualifiziert und das kann sie nicht sein, denn sie ist in der Regierung).
Aber leider wusste das Volk nicht zu schätzen, wie toll diese Seite eigentlich war und die Regierung musste dem Druck nachgeben. Aber hier gelang den Zuständigen letztendlich der große Coup! Jeder andere hätte sich vielleicht geschämt; das Handtuch geworfen, den Hut an den Nagel gehängt… aufgegeben; wäre am Gegenwind der Opposition und der Bevölkerung zerbrochen, doch nicht diese Regierung! Denn sie wusste, was sie am Kaufhaus Österreich hatte und so entfernte sie die Suchmaske (wer muss schon auch auf einem Amazon-Konkurrent etwas suchen können?) und etablierte ein online Firmenregister! Ein Firmenregister! Ich wiederhole mit frohlockenden Jubelrufen: „EIN FIRMENREGISTER für 1,26 Millionen Euro“. Ich bin froh über diese Ausgaben und vor allem freue ich mich, diese 1,26 Millionen Euro mit meinen Steuergeldern mitfinanziert zu haben. Ein besseres Telefonbuch für 1,26 Millionen Euro. Ich danke unserer Bundesregierung und zünde eine Kerze in meinem Hausschrein für den heiligen Sebastian an.








Kommentare