Klimaschutz
- alrasumofsky
- 28. März 2021
- 4 Min. Lesezeit
Von schönen Gesten und besseren Zugängen.
Vor etwas mehr als einer Woche ging ich am Ring in Wien entlang und sah wieder mal eine Demonstration. Das Klientel hatte lange Haare, trug abgetragene altmodische Kleidung und war durchwegs unter 30. Mein geschulter Blick erkannte sofort, dass es sich diesmal nicht um eine Anti-Corona-Demo handeln konnte. Ein Freund, der auf dieser Klima-Demo am 19.3. gewesen war, erzählte mir später davon, dass die Demonstrant*innen versucht hatten, eine Menschenkette um den Ring zu bilden. Eine schöne Geste.
Aber eben nur eine Geste. Wir hoffen immer, dass Protest etwas bewirkt, aber leider habe ich noch nie erlebt, dass diese Zeichen, die medienwirksam gesetzt werden, etwas bewirken. Die Schamlosigkeit, die unsere Politiker in letzter Zeit gegenüber der Bevölkerung an den Tag legen, sollte eigentlich alle eines Besseren belehrt haben. Protest zeigt keine Wirkung (weder bei Rücktrittsaufforderungen noch bei Handlungsaufforderungen). Es wäre unserer Kleptokraten-Klasse durchaus zuzutrauen noch durch überflutete Straßen zum Parlament zu gehen, um von dort aus neue zahnlose Klimaziele zu verkünden.
„Bis 2190 reduzieren wir unsere CO2-Emmissionen um 0.01%“ … und wir sind stolz darauf und feiern, indem wir die Bäume vor dem Rathaus anzünden.
Wir setzen ein leeres Zeichen nach dem anderen und hüllen uns in ein falsches Gefühl, etwas erreicht zu haben. Gestern fand die Earth Hour statt. Eine Stunde lang verzichteten große Denkmäler und viele Privathaushalte auf Elektrizität und sparten dadurch Strom, um dann am nächsten Tag mit dem Heizstrahler die Suppe vom Vortag aufzuwärmen und kein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Am 22. August letzten Jahres fand der Welterschöpfungstag statt; der Tag, an dem die Menschheit die Ressourcen unseres Planeten für das aktuelle Jahr aufgebraucht hat, und die Politik jubelte darüber, dass dieser Tag erstmals drei Wochen später als im Vorjahr stattfand! Ein Zeichen dafür, dass die Grünen endlich in der Politik angekommen waren? Oder vielmehr eine logische Schlussfolgerung aus Pandemie und weltweiten Lockdowns? Dann kommt das nächste Zeichen: Zwischenzeitlich stellt irgendeine Kommission die Atomkriegsuhr auf 100 Sekunden vor Zwölf und alle sind froh, dass wenigstens irgendeine Kommission etwas tut und freuen sich über das gesetzte Zeichen und darüber, dass die USA wieder beim Pariser Klimaabkommen sind… ob sie die Ziele desselben einhalten, ist wieder eine andere Frage und eigentlich auch gar nicht wichtig.
So werden wir es nicht schaffen. Während einige angesichts dieser Lage kapitulieren und sich andere noch darüber streiten, ob die Menschheit denn überhaupt am Klimawandel beteiligt ist (JA! MEIN GOTT, JA!), fragt sich der Durchschnittsbürger, was er/sie tun kann. Man liest in Foren und auf Blogs und bekommt hilfreiche Tipps und Listen.
(z.B. https://utopia.de/ratgeber/klitzekleine-alltagsdinge-umwelt/)
Man recycelt, isst weniger Fleisch, spart Lebensmittel, pflanzt einen Baum, verzichtet auf Strom, Konsum und Reisen und trotzdem hört man in den Medien nur, dass wir unaufhaltsam auf die Klimakatastrophe zusteuern. Denn die großen Firmen, die wirklich einen Einfluss auf das Klima haben, machen munter weiter wie bisher. Wir Liliputaner verkleinern unseren ökologischen Fußabdruck, während die ökologischen Riesen sich immer größere Schuhe kaufen. Wir betreiben sinnlose Schadensbegrenzung… Wir putzen die Küche in einem brennenden Haus.
Was aber sollen wir tun?
Seit einiger Zeit lässt mich ein Gedanke nicht mehr los… wir sollten alle Ökoaktivist*innen werden.
-Aber du hast doch gesagt, dass Demos nur leere Gesten sind…
Genau! Deshalb müssen wir eine Form des Öko-Aktivismus finden, die man nicht ignorieren kann und die nicht nur öffentlichkeitswirksam ist, sondern wirklich etwas erreicht. Ich rede nicht davon, dass wir Schornsteine verstopfen, oder Firmen in Brand setzen. Nein… wir müssen stille, schöne, große Veränderungen in die Welt tragen. Je weniger mediengeil wir dabei agieren, desto besser, denn sobald der Protest von der breiten Bevölkerung aufgesogen wird, verliert er seine Zähne.
(Sobald die Punkband einen Vertrag bei einem großen Label hat und mit Werbung ihr Geld verdient, ist sie keine Punkband mehr.)
Wir sollten keine Menschenkette auf dem Ring bilden, sondern in ganz Österreich heimlich eine Million Bäume pflanzen. Wir brauchen große Menschenmassen, die sich weigern, bei Umweltverschmutzern zu kaufen und nur noch in den kleinen Einzelhandel gehen, bis sich etwas geändert hat. Wir brauchen kleine, individuelle Gesten in der Größenordnung einer Massenbewegung.
Wir brauchen dafür aber auch einen Umwelt-Gandhi, der uns anführt… Ich nehme mich selbst hier gleich aus dem Rennen, denn mir fehlt das nötige Charisma und das Sendungsbewusstsein… ich will lesen, schreiben und musizieren und die Welt nur nebenbei verändern.
Wir brauchen einen Umwelt-Ghandi… nicht wie Greta Thunberg (obwohl man sie wirklich in Ehren halten muss), denn der Grundfehler von Greta war, dass sie versucht hat, die Politiker*innen dieser Welt zum Handeln anzuregen, oder mit ihrem gerechten Zorn dazu zu bewegen. Politiker*innen sind allerdings eine träge, reaktive Masse. Sie können nur auf bereits existierende Krisen reagieren, denn für alles andere fehlt ihnen Voraussicht und Mut. Wenn man Veränderung will, muss man sie an diesen Blockierer*innen vorbei hervorbringen. Wir brauchen innovative Anführer*innen, die bereit sind, uns in einer aktiven und sinnvollen Art des Klima-Aktivismus anzuführen, die so niederschwellig ist, dass die breite Bevölkerung sie mitträgt.
Wenn ich zum Beispiel einen Beitrag leisten kann, indem ich einmal im Monat einen Baum pflanze, dann bin ich gewillt, das zu tun. Wenn ich allerdings für den Fridays-For-Future Marsch nach Wien fahren muss, um dort einmal pro Woche am Ring zu stehen, ohne etwas zu erreichen, werde ich es nicht tun. Diese Art von Protest ärgert nur die Autofahrer, die die Demo umfahren müssen. Den Handlungsträgern ist dieser Protest komplett egal. Wenn ich jede Woche 5 Euro für eine Organisation spenden soll, die einen effektiven Beitrag zum Klima leistet, dann will ich das auch tun.
(Für alle, die das Thema EFFEKTIVER gesellschaftlicher Wohltätigkeit interessiert, hier ein Link zu einem wunderbaren Projekt: https://www.effectivealtruism.org/)
Wenn ich stattdessen mein ganzes Leben lang auf Fleisch verzichten soll, wird es schwierig für mich… dazu fehlt mir persönlich die Disziplin. Wir alle wollen unser Klima schützen und viele von uns gehen sogar große persönliche Opfer ein, um eine aktive Rolle in diesem Prozess zu spielen, doch wenn wir keine große gesellschaftliche Bewegung sind, haben wir keine Chance.
Aus diesem Grund müssen wir die Veränderungen anders gestalten. Leichter, niederschwelliger und kleinteiliger machen. Mein Vorschlag wäre, dass wir alle gemeinsam eine österreichische Klimacheckliste abarbeiten, die wir jährlich erneuern.
Wenn zum Beispiel jeder von uns 10€ im Jahr für das Klima spenden würde, wären das bei den Einwohnern Österreichs 89 Millionen Euro. Einen Fichtensetzling bekommt man ab 59 Cent. Mir persönlich fehlt die Expertise, um die Klimacheckliste für das Jahr 2021 zu entwerfen, aber ich habe schon eine Idee, wie ich an diese Expertise komme. Ich werde euch auf dem Laufenden halten und freue mich auf euere Kommentare und Vorschläge für diese Checklist.
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