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Meine Vaterschaft

  • alrasumofsky
  • 12. März 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Es ist jetzt schon ein bisschen her, seit ich einen Blogpost geschrieben habe, aber nachdem sich anbahnt, dass ich in nächster Zeit evtl. wieder ein bisschen zum Schreiben kommen werde, habe ich mir gedacht, ich fange mal wieder klein an; mit einem Blogpost zu der Frage, die mir die meisten meiner alten Bekannten momentan stellen: „Wie ist es denn, Vater zu sein?“.


Wenn mich vor jetzt fast einem Jahr die Leute zum ersten Mal gefragt haben, was sich denn alles so verändert, wenn man plötzlich nicht mehr zu zweit, sondern zu dritt durchs Leben geht, habe ich gerne gesagt: „Es ist, wie bei einem Videospiel, bei dem man den Schwierigkeitsgrad von ‚leicht‘ auf ‚mittel‘ stellt.“ Es fühlt sich noch immer meistens so an, obwohl manchmal Tage dazukommen, wo wir in den Bereich ‚schwer‘ ausscheren (vor allem, wenn unsere Maus krank ist). Gar nicht vorstellen kann ich mir, wie es für Alleinerziehende ohne familiäre Unterstützung sein muss. Ich schätze, es ist wie ein Start in ein Spiel ohne Tutorial, wobei alle Gegner Endbosse sind und das Spiel in einer Fremdsprache abläuft, die man nicht spricht… und die R1 Taste am Controller funktioniert nicht.


Von dieser Analogie einmal abgesehen, ist tatsächlich mein Leben um einiges reicher und ärmer zugleich geworden. Reicher an unglaublich überwältigenden Momenten, wie den ersten gebrabbelten Worten, dem ersten Lachen und den ersten überlaufenden Windeln (und ja, selbst die können Freude bereiten, wenn der erlösende Schiss endlich den Magenschmerzen ein Ende bereitet und das Dauergeschrei aufhört).


Ärmer bin ich vor allem an Zeit geworden. Auch wenn ich schon immer recht wenig davon hatte, kommt es mir zusehends so vor, als müsse ich die Dinge, die ich gerne früher so nebenbei gemacht habe, jetzt einfach irgendwann zwischen der 24ten und 25ten Tagesstunde nachholen, nachdem in der Wohnung alles schläft. (Eben solche Luxusdinge wie Schreiben, „oder Haarewaschen“, würde meine Frau hinzufügen).


Aber es ist eben alles eine Sache der Einteilung und auch das musste ich lernen. Wo ich vorher einfach „mein Ding“ machen konnte, muss ich jetzt ganz bewusst mit meiner Frau darüber sprechen, was denn „mein Ding“ sein soll, und wann ich es in welchem Rahmen machen will (… das klingt anrüchiger, als es gemeint ist). Wir haben zum Beispiel die Abmachung getroffen, dass ich 2 Abende pro Woche für Proben und musikalische Tätigkeiten bekomme. Zwei Abende, an denen das Leben fast so läuft wie vorher. Ein absoluter Luxus, für den ich meiner Frau sehr dankbar bin. Genau dieser Satz wird den Freiheitsliebenden unter euch sicher sauer aufstoßen. „Ich will doch nicht mit jemandem darüber verhandeln, ob ich am Abend auf ein Bier gehen kann, oder nicht“, werdet ihr euch denken und tatsächlich bedeutet ein Kind auch genau solche Einschränkungen, zumindest, wenn man das Kind gemeinsam mit dem Partner erziehen will und nicht gegeneinander. Man muss eben mit seinem Partner die genauen Rahmenbedingungen und Regeln der Erziehung und des Zusammenlebens absprechen.


Andere Dinge, die vorher selbstverständlich waren, müssen ebenfalls wieder neu besprochen und ausverhandelt werden, wie zum Beispiel, wer im Haushalt wofür verantwortlich ist und wer wann welches Essen für wie viele Personen zubereitet. Das war bisher oft egal, weil man einfach die Dinge des anderen miterledigt hat; den Müll einmal mehr rausgetragen, oder das Geschirr des anderen mit abgewaschen hat. Oder man hat sich essenstechnisch einfach einmal einen schnellen Kebap reingepfiffen, und das gleich viermal pro Woche, wenn der Stresslevel unter der Decke stand. Wenn man seinen Kindern allerdings gesunde Ernährung vorleben will, kommt irgendwann der Punkt, wo das MC-Donalds-Essen nicht nur vom schlechten Gewissen wegen der Kalorien begleitet wird, sondern auch, weil das Kind das nicht nachmachen soll (es gibt natürlich immer wieder auch die Momente der Schwäche; also meine persönlichen MC-Moments, bei denen ich dann im Auto für 30€+ Fastfood in mich reinschaufle, bis mir „Gut-Schlecht“ ist; ein Begriff, den ich einem Freund verdanke. Seinem Onkel ist nach den Familienessen immer „Gut-Schlecht“, wenn gar nichts mehr reingeht).


Wobei ich in letzter Zeit ebenfalls Fortschritte mache, ist das bewusste „Nein“-Sagen. Jeder Tag oder Abend, den man nicht zuhause verbringt, ist Zeit, in der potenziell etwas geschehen könnte, oder in der die andere Person einmal entlastet wird. Man kann so viel verpassen! Von den ersten Worten über die ersten Schritte und alles, was danach noch so kommt. Deshalb habe ich mir angewöhnt, immer öfter, wenn mich jemand fragt, ob ich nicht noch schnell da eine Probe übernehmen will, oder dort zu einer Veranstaltung gehen will, die ich eigentlich sowieso nicht besuchen möchte, einfach mal „Nein“ zu sagen, oder die diplomatischere Variante: „Das muss ich erst mit Zuhause abklären“.


Das klingt nach wahnsinnig vielen Einschränkungen, werdet ihr euch jetzt vielleicht denken, aber das nur, weil ich noch nicht ausreichend über die schönen Seiten berichtet habe. Es ist zum Beispiel ein unglaublich schönes Gefühl, wenn man von einem strahlenden kleinen zahnlosen Lächeln nach der Arbeit begrüßt wird. Ein Lächeln ohne Wenn und Aber. Es ist auch unglaublich schön, zu sehen, wie gewisse Manierismen aus den Familien plötzlich bei einem kleinen Geschöpf auftauchen, als wären sie immer schon da gewesen: Die Lautstärke und die Penetranz eines Ausrufs, die man sonst nur vom eigenen Vater kennt, das motorische Feingefühl der Schwiegerfamilie, die Art, wie ein Finger beinahe bedächtig in den Mundwinkel genommen wird, wie es auch die Cousine tut, und so weiter und so weiter. Oder, nur um dieser Liste, die noch viel länger sein könnte, einen weiteren Punkt hinzuzufügen, das Gefühl, wenn dieser kleine Schatz in deinen Armen einschläft, weil er dir so vollkommen vertraut und du einfach ein besserer Mensch sein willst für diesen kleinen Menschen.


Und dann sind da noch die vielen vielen Momente in denen man einfach nur unglaublich stolz ist. Man empfindet eine Art von Stolz, die es vorher nicht gegeben hat. Stolz auf eine andere Person, einfach nur weil sie da ist und damit einhergehend eine bedingungslose Liebe, die unendlich tief zu reichen scheint und selbst in den Momenten, in denen man schon eine Stunde lang durchgehend angeschrien wurde, weil gerade irgendein Schaß zwickt, schimmert da diese Art der Liebe durch und erfüllt einen mit tiefer Dankbarkeit für das Leben dieses kleinen Menschen.


Dafür verzichte ich gerne auf das spontane Bier am Abend… Außerdem sind ja irgendwann die Kinder auch aus dem Haus.


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