Muttertag
- alrasumofsky
- 9. Mai 2021
- 5 Min. Lesezeit
Für uns ÖsterreicherInnen schwingt bei diesem Wort gleich im Hinterkopf das rotzgörenhaft punkig gesungene „Muttertag“ von Wiener Wunder aus dem Kultfilm Muttertag mit. (für mich zumindest).
Doch was macht diesen Tag eigentlich aus? Wir feiern einmal im Jahr, um den Müttern in unserem Leben zu sagen, dass wir nicht ganz auf sie vergessen haben. Doch ist es eigentlich mit einem Tag getan, oder wäre es nicht viel eher angebracht, einen Muttermonat zu feiern?
Mutterschaft und Antinatalismus
Warum sollte man heute überhaupt noch Mutter werden wollen? Oft sehe ich mittlerweile im Zusammenhang damit den Begriff des Antinatalismus verbunden, also die Idee, dass man sich am besten gar nicht fortpflanzen sollte. So könnten wir endlich gemeinsam diesem irdischen Jammertal ein Ende setzen, denn Menschen sind ja sowieso, so hört man ebenfalls oft in diesem Zusammenhang, eine Bürde für das Klima, für die Mitmenschen und für sich selbst. Am umweltschonendsten wäre es daher sowieso, wenn wir, wie der schottische Stand-Up-Comedian Franky Boyle sagt: unsere Plastiktüten wiederverwerten, um damit unsere Kinder zu ersticken.
Einmal abgesehen davon, wie man persönlich zu diesen Fragen steht, können wir uns vermutlich doch einig sein, dass wir alle hoffen, dass diese Antinatalist*innen nicht irgendwann an die Macht in einem international bedeutsamen Staat kommen. Man male sich nur mal aus, dass solche Leute, deren Grundüberzeugung es ist, dass die Menschen doch alle nur eine Plage sind, z.B. in den USA den nuklearen Football in der Hand hätten… lieber nicht.
Warum man sich gegen die Mutterschaft entscheidet
Persönlich kann ich aber, und damit kommen wir zurück zum Thema, durchaus verstehen, dass manche Leute gar keine Kinder bekommen wollen. Vielleicht genießen sie ihre Freiheit, reisen gerne, wollen sich nicht an einen Partner binden, oder „ihnen bleibt keiner“. Vielleicht wollen sie auf der Karriereleiter in unendliche Höhen vorstoßen, oder sind einfach noch im PraktikantInnenjungle gefangen und hanteln sich von prekärem Angestelltenverhältnis zu prekärem Anstellungsverhältnis. Vielleicht haben sie gerade in der momentanen unsicheren Situation am Arbeitsmarkt Angst davor, ihren Kindern nicht die nötige finanzielle Sicherheit bieten zu können.
Dazu kommt die Situation mit dem Karenzgeld. Gerade gestern habe ich mit einigen Nachbarn über dieses Thema gesprochen. Eine Nachbarin, die in einem Kindergarten der Stadt Wien arbeitet, hat erzählt, dass sie auch viele Kinder in ihrer Gruppe hat, die gerade einmal 10 Monate alt sind. Kleinkinder werden hier in Großgruppen abgegeben während einer Pandemie und in einer Phase, in der sie vermutlich die Bindung an die Eltern brauchen könnten. Die Kinder müssen hier in entscheidenden Jahren ihrer Entwicklung ohne eine zentrale Bezugsperson auskommen.
Diesen Eltern kann man aber trotzdem keinen Vorwurf machen. Wer weiß, warum sie nicht selbst auf ihre Kinder aufpassen wollen. Vielleicht haben sie schon den nächsten Säugling zuhause, der ihrer Aufmerksamkeit bedarf. Vielleicht brauchen sie einfach manchmal eine kleine Erholungspause. Vielleicht müssen sie aber auch einfach wieder arbeiten gehen, damit sie sich die immer weiter steigenden Mieten in den Städten leisten können.
Will der Staat überhaupt, dass wir Kinder in die Welt setzen?
Inwiefern das Kindergeld hier eine Hilfe ist, sei einmal dahingestellt. Es gibt in diesem Zusammenhang verschiedenste Horrorgeschichten, wie die von einer Frau, die insgesamt 5 Jahre auf das Geld warten musste (https://volksanwaltschaft.gv.at/artikel/Kinderbetreuungsgeld-Irrefuehrung-Verzoegerung-Gesetzesbruch), oder von Selbstständigen, die das Geld zurückzahlen mussten, weil sie sich in der Karenz noch etwas dazuverdient hatten (https://www.vienna.at/8-383-eltern-mussten-im-jahr-2018-das-kindergeld-wieder-zurueckzahlen/6077205). Der Tagessatz beim Kindergeld rangiert zwischen 14,53€ und 66€ und ist abhängig von der Laufzeit und vom Modell des Kindergeldes. (Eine Übersicht gibt es hier: https://www.eltern-forum.at/ratgeber-news/die-karenzmodelle-in-osterreich/)
Wie bei anderen Dingen auch, macht es einem der Staat also nicht gerade leicht, Kinder großzuziehen. Es ist fast so, als wolle man der Bevölkerung auf nicht allzu subtile Weise mitteilen, dass es eigentlich schon genug Leute in Österreich gäbe. Das ganze spiegelt sich dann auch in sinkenden Geburtszahlen und auch der Coronakinderboom ist bekanntlich ausgeblieben. (Im Gegenteil kam es zu einem Knick der Geburtsraten in Österreich: https://kurier.at/wissen/schwangerschaft-in-zeiten-von-corona-pandemie-fuehrte-vorerst-zu-geburtenknick/401357768).
Allein als Mutter
Mutter sein ist ja bekanntlich auch schwerer, als Mutter zu werden. Und wenn man dann einmal Mutter ist, dann ist es auch um einiges schwerer, das Kind wieder loszuwerden. Manche Väter verabschieden sich ja schon kurz nach dem Moment der Zeugung für immer von ihren Kindern. Als Mutter geht das nicht so leicht; gerade, wenn man es nicht übers Herz bringt, das Kind in einer Babyklappe abzugeben. Wenn man dann noch als alleinerziehende Mutter die Arbeit von zwei Personen erledigen muss, wird es immer schwieriger, dafür zu sorgen, dass die Kinder auch im Leben weiterkommen.
Studien kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen und Ausnahmen wird es immer geben, aber es scheint doch so zu sein, dass Kinder aus Alleinerzieher*innenhaushalten durchschnittlich in ihrer schulischen Laufbahn schlechter abschneiden als Kinder mit zwei Elternteilen (https://www.bbc.com/news/education-47057787). Wie wir als Gesellschaft mit solchen Statistiken umgehen wollen, müssen wir auch erst entscheiden. Es könnte zum Beispiel ein Anstoß dafür sein, Anreize für die Ehe zu schaffen, Aleinerzieher*innen besser zu unterstützen, oder auch Adoptionen für gleichgeschlechtliche Paare zu erleichtern. Bis das von politischer Ebene der Fall sein wird (nie), kann man auch als Privatperson bekannten Müttern unter die Arme greifen, oder an verschiedene Vereine spenden und so seinen Beitrag leisten (z.B.: https://www.elisabethstiftung.at/ueber-uns/?cli_action=1620387096.989).
Dabei kenne ich wenige Menschen, die nicht von sich behaupten würden, dass die Beziehung zu ihrer Mutter eine der wichtigsten in ihrem Leben sei. Vielleicht ist diese Beziehung für einige auch gleichzeitig eine der schwierigsten, allerdings wären wir alle nicht wiederzuerkennen, hätten wir nicht unsere Mütter gehabt. Ich weiß, dass ich meiner Mutter extrem dankbar bin und sie wird mir immer ein großes Vorbild sein.
Meine Mutter und meine Oma auf der mütterlichen Seite der Familie zeichnen sich durch eine stoische Ruhe und einen unvergleichlichen Aufopferungswillen für die Familie aus, der sogar uns Kindern manchmal schon zu viel wurde. Ohne meine Mutter hätte ich es nie an die Uni geschafft. Sie, die selbst nicht studieren durfte, weil sie in einer Zeit aufwuchs, in der nur der Jüngste aus der Bauernfamilie auf die Uni geschickt wurde und dann auch nur Theologie studieren durfte, hat mir alles ermöglicht und ich bin ihr unendlich dankbar.
Der Muttertag als Zeichen
Vielen von euch wird es ähnlich gehen. Die meisten werden sich gar nicht mehr an all die Wohltaten erinnern, die eure Mütter euch im Lauf eures Lebens zukommen haben lassen. Aber viele wollen eben heute nicht mehr die Opfer der Mutterschaft bringen. Mutterschaft steht im Gegensatz zur Karriere. Mutterschaft steht im Gegensatz zu Freiheit und niemand will heute noch seine Freiheit gegen Verantwortung eintauschen. Dass gerade dieser Tausch aber sehr lohnend sein kann, zeigt sich doch in dem Gefühl der Dankbarkeit, das wir alle an diesem Muttertag versuchen, unseren Müttern mitzuteilen.
Ein Tag im Jahr ist dabei natürlich nicht genug. Wir sollten unseren Müttern ständig danken und ihre Leistungen unter keinen Umständen als selbstverständlich hinnehmen. Doch der Muttertag scheint immer schon mehr ein Symbol des ständigen Danks zu sein, als eine ausreichende Dankesbekundung.
Dass sich immer noch Frauen dafür entscheiden, Kinder zu bekommen, muss man ihnen also hoch anrechnen. Nicht nur aus Sicht der Menschen, die es sonst nicht geben würde, sondern auch ganz egoistisch, denn wie immer bleibt am Ende die große, alles entscheidende Frage: wer soll denn sonst einmal unsere Pensionen bezahlen?
Wie immer freue ich mich über eure Kommentare und wünsche euch einen schönen Muttertag.
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