Schützt die O6
- alrasumofsky
- 25. Apr. 2021
- 4 Min. Lesezeit
Heute geht es mal wieder um die Umwelt und im Zusammenhang damit um ein Thema, das mir wirklich am Herzen liegt: Die U6 sollte zum Naturschutzgebiet erklärt werden. Warum, das lest ihr hier:
Ich schreibe in diesem Blog ja oft über Dinge, die vielleicht nicht für jede/n meiner Leser*innen relevant sind, aber heute wollte ich einmal über ein Thema schreiben, das uns wirklich allen am Herzen liegen sollte. Heute geht’s um die U6.
Ich fange mal ganz von vorne an. Ich muss die U6 kurz für die Nicht-Wiener*innen erklären. Die U6 ist für uns Wiener*innen so etwas wie die Hauptverkehrsarterie, die sich durch die Stadt zieht und jeden Tag die größte Anzahl an Fahrgästen von allen U-Bahnen transportiert. Wie die Arterien der meisten Österreicher*innen auch, ist sie oft verstopft und irgendwann hat sich an ihren Wänden eine eigenartige Fettschicht gebildet, von der man nicht weiß, ob sie einfach nur gesundheitsschädigend ist, oder schon allein ihr Anblick in Wahrheit längerfristig tödlich wirkt. Was für alle U-Bahnen gilt, gilt hier doppelt und dreifach: Nur nichts angreifen… außer es geht wirklich nicht anders. Das ist schon mal der erste Grund, warum die U6 zum Naturschutzgebiet erklärt werden sollte: zum Schutz der Bevölkerung.
Warum aber ist die U6 so ein Rundumerlebnis? Eine Folterkammer der Sinne. Das Giftgemisch, das wir U6 nennen, ist, aufgrund mehrerer zusammenwirkender Faktoren, so herrlich toxisch.
Da wäre zuerst einmal die Tatsache, dass die U6 hauptsächlich über der Erde fährt. - Relativ untypisch für eine U-Bahn, wird der/ die aufmerksame Leser*in sich denken.
Das kommt daher, weil die U6 auf den Bögen fährt, die die Reste der alten Stadtbahn darstellen. Architektonisch ein absoluter Hingucker, da von Otto Wagner erdacht, heben sie die U-Bahn über dem Ring von der Umgebung ab und machen die U6 zu einer absoluten Venusfliegenfalle.
Als unbedarfte(r) Nicht-Wiener*in denkt man sich nämlich: „Schau, wie schön! Jugendstil/ Historizismus / Neoklassizismus (man ist da mit der Begrifflichkeit nicht so sicher), das schau‘ ich mir von innen an!“ In dem Moment, in dem dann die Tür hinter dir zuschnappt, merkst du erst, dass du in die Falle getappt bist. Denn sobald man drinnen ist, wird man von einem gewaltigen Gestank übermannt und wird – gerade in den Sommermonaten – mit dem großen Nachteil einer überirdischen U-Bahn konfrontiert: Die U6 leidet nämlich gewaltig darunter, dass im Sommer die Sonne scheint.
Diese Geruchsentwicklung ist auch der Grund dafür, dass man mittlerweile in den Fahrzeugen der Wiener Linien nichts mehr essen darf. Ich erinnere mich an meine erste Zeit in Wien. Da war es noch so, dass man als unbedarfter Nachtschwärmer nach dem Besuch der Diskothek (die, die mich kennen wissen, dass ich wirklich mal einen diskotypischen 70ger-Jahre-Afro hatte) einfach irgendwo einen Kebap bestellte und ihn dann im Vollsuff in der U-Bahn mehr verteilte als aß. Irgendwann hatten sich aber genug Leute über den Geruch beschwert, der sich im Sommer entwickelt, wenn die Sonne die Garnituren aufheizt und die eingetrocknete Kebapsauce beginnt, ihr ganzes olfaktorisches Restpotential zu entdecken, sodass das Essen nicht nur in der U6, sondern gleich im ganzen Netz der Wiener Linien verboten wurde. Seither müssen wir Wiener*innen unsere Leberkässemmeln leider Outdoor essen.
Eine weitere Besonderheit habe ich noch gar nicht erwähnt: in Wien haben wir nämlich eigentlich nur 5 U-Bahnlinien und die 5te ist die U6, weil die U5 bauen sie gerade erst. Ich nehme an, dass die U6 dann zur U7 wird, bis die Stadt eine weitere U-Bahnlinie baut und dann aus der vormaligen U6, die dann U7 heißen wird die U8 wird, usw. usw. Nimmt man jetzt noch die Tatsache dazu, dass die U6 hauptsächlich oberirdisch fährt, ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Die U6 sollte eigentlich eher O6 heißen (also eigentlich O5, später dann mal O7).
Jetzt zum Hauptgrund dafür, warum man, meiner Meinung nach die O6 unter Naturschutz stellen sollte: Die O6 bietet nämlich einen Lebensraum für Viren, Bakterien und sonstige Lebewesen, die sich nirgendwo sonst ansiedeln können.
Weil die O6 eben gerade im Sommer immer in der prallen Stadthitze durch die Gegend fährt, bildet sich in ihr nämlich ein Sumpf. In diesem Sumpf müssen dann die Obdachlosen aus dem Norden von Wien zur Suchthilfe im Süden (ebenfalls direkt an der O6 gelegen) und dazwischen steigen die Leute ein, die ins AKH müssen und mit den offenen Kopfwunden alles anbluten. Wenn dann noch irgendwo ein Platz in diesem Feuchtgebiet ist, steigen nachts die betrunkenen Student*innen ein.
Entlang der O6 haben sich nämlich mit der Zeit die Lokale angesiedelt, in denen man als Student*in am billigsten zum wochenendlichen Vollsuff kommt. Vor allem zu nennen ist hier das Loco. Wenn ihr schon immer einmal wissen wolltet, wie ein Bacardi Cola um 50cent schmeckt, dann müsst ihr um sieben am Abend ins Loco gehen. Je früher man kommt, desto billiger der Alkohol, denn die Cocktails werden zu jeder vollen Stunde um 1€ oder 50cent teurer (die genaue Summe weiß ich leider nicht mehr, die hat man mittlerweile sicher auch schon an die Inflation angepasst). Durch dieses Geschäftsmodell ist garantiert, dass dann ab 20.00 ein stetiger Zustrom an Alkoholleichen in die O6 fließt. Dort werfen sich die Leute dann übereinander und versuchen miteinander zu kopulieren, oder zumindest Nachhause zu kommen.
Die Leute steigen also, gerade am Wochenende im Sommer in die O6 und die Leute schwitzen und bluten und eitern, und speiben auf den Boden und dann bildet sich dort ein ganz eigenes Biotop. Da ist jeder chinesische Tiermarkt ein Lercherlschaß dagegen.
Da wir also schon mal so ein tolles Biotop haben, sollten wir es auch schützen. Nachfolgende Generationen werden es uns danken, wenn auch sie eine intakte O6 vorfinden. In diesem Sinn: tragt auch ihr jetzt, wo es wieder wärmer wird und die Wägen sich wieder erhitzen etwas zum O6 Sumpf bei. Wenn ihr heute mit der O6 fährt, und ihr müsst zum Beispiel niesen, dann nehmt doch die Maske einfach ab und niest in den Wagon. Habt ihr seltene Hautkrankheiten? Dann reibt euch doch an den Sitzflächen. Fragt euch einfach: „Was würde jemand mit einem extremen Körpergeruch tun?“ Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, können wir alle gemeinsam dazu beitragen, dass die O6 weiterhin ein Naherholungsgebiet für die städtische Flora und Fauna wird, die sonst nirgends ein Unterkommen findet.
Schreibt mir eure Vorschläge für einen Beitrag zu einer schützenswerten O6 doch einfach in die Kommentare.
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