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#taxmenow

  • alrasumofsky
  • 13. Juni 2021
  • 6 Min. Lesezeit

In Europa twittern die Reichen von den Dächern. Sie schreien mit dem Hashtag taxmenow nach mehr Steuergerechtigkeit. Sie wollen, dass endlich die Politiker*innen etwas unternehmen und die Regeln ändern, damit auch sie ihren fairen Beitrag leisten. Wieso das nicht so einfach ist und warum der Hashtag für mich mehr nach #pleasedontlynchme klingt, lest ihr hier:


Als die Nachricht kam, dass Elon Musk, der Teslachef, Space-X- und Paypal-Gründer und der Tweetlord über Bitcoin, im vergangenen Jahr keinen einzigen Dollar an Steuern gezahlt habe, dachte ich zuerst an Robert Kiyosakis Buch „Rich Dad Poor Dad“.

Hier der Link zum Buch:

Im letzten Jahr hatte ich in einem Anflug von Finanzinteresse dieses und einige andere Bücher gelesen. Kiyosaki schreibt hier verschiedene Grundregeln auf, die seinen leiblichen Vater, den armen Dad, von seinem Mentor und dem Vater eines Freundes, dem reichen Dad, unterschied. Einer dieser Unterschiede, der sich in Kapitel 4 offenbart, ist, dass die Reichen die Steuern wie die Pest meiden.


Kiyosaki meint damit nicht, dass die Reichen absichtlich Steuern hinterziehen sollen, indem sie z.B. ihr Geld in großen Billasackerln über die Grenze nach Liechtenstein tragen, sondern dass man durch die Gründung einer Firma und durch ähnliche Kniffe das Steuersystem der USA und anderer Länder austricksen kann, da Firmen anders besteuert werden als Individuen.


Zeit ist Geld


Wie viele andere Geldgurus rechnet Kiyosaki Geld in Zeit um und konfrontiert die Leserschaft in diesem Kapitel mit einer einfachen Rechnung. Jeder % den man von seinem Gehalt an Steuern zahlt, ist gleichzusetzen mit einer Zeitspanne, die man für den Staat arbeitet und nicht für sich selbst. Wenn wir zum Beispiel vom Mindeststeuersatz in Österreich ausgehen, der bei 20% liegt (ab einem Einkommen von 11.000€), würde das also bedeuten, dass man den ersten € den man wirklich für sich selbst verdient, erst nach ca. 2,4 Monaten verdient… also irgendwann Anfang/Mitte März. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeitet man eigentlich nur mal seine Lohnsteuer ab. Es ist also eine logische Schlussfolgerung, dass man mit allen Mitteln versuchen sollte, diese Steuern zurückzubekommen, oder gleich gar nicht zu zahlen – so Kiyosaki.


Das Steuersystem zu kennen kann riesige Vorteile haben. Ich habe in diesem Jahr beinahe 1000€ von der Steuer zurückbekommen, da ich einen Großteil meiner Ausgaben für Büroartikel und Weiterbildungsmaterial aus dem letzten Jahr absetzen konnte. Musiker*innen können zum Beispiel ihre Instrumente von der Steuer absetzen und so viel Geld beim Ankauf von Instrumenten sparen. Es gibt tatsächlich viele Möglichkeiten, wie auch Laien in Kiyosakis Sinn keine Steuern zahlen können.


(Hier ein Link zum aktuellen Steuerbuch, wo man nachlesen kann, was man so alles absetzen kann: https://www.bmf.gv.at/services/publikationen/das-steuerbuch.html)


Aber Steuern haben ja einen Sinn!


Jetzt werden einige sagen, aber der Staat braucht doch die Steuern zur Finanzierung der Bildung und der Straßen und der Theater und meiner Pension und sie haben natürlich recht. Was wäre ein Staat ohne all diese Dinge?


(Lassen wir mal das offensichtliche Verprassen von Steuergeld außen vor, das sich zum Beispiel bei einem meiner Lieblingsthemen dem „Kaufhaus Österreich“ zeigt/ Siehe dazu den Beitrag: https://www.alrasumofsky.net/post/kaufhaus-österreich-der-größte-coup-der-regierung-bisher).


Aus oben genannten Gründen sollte ja auch jeder seinen fairen Beitrag zahlen. Die Initiative der Reichen, die jetzt unter dem Hashtag taxmenow daherkommt, verlangt genau das, eine bessere Besteuerung ihresgleichen, die diverse Schlupflöcher schließt und kreative Steuerumschiffungen schwieriger, wenn nicht gar unmöglich macht.


Prinzipiell bin ich ein absoluter Befürworter solcher Ideen. Warum sollte jemand, der mit einem enormen finanziellen Startvorteil geboren wird, oder einfach immense Summen verdient, nicht auch einen proportionalen Teil seines/ ihres Gehalts abgeben? Wie oft hört man den Satz „Ich zahle brav meine Steuern“ als Zeichen für die Reinheit des Charakters?

Allerdings habe ich so meine Zweifel an den Motiven dieser Personen und an der Fähigkeit zur Durchführung seitens der Politik.


Es läge ja durchaus im Interesse des Staates, an die Steuern eben dieser Personen zu kommen. Wenn man bedenkt, dass 1% der österreichischen Bevölkerung ca. 40% des Vermögens unseres Landes besitzen, wird der Staat nicht absichtlich auf Steuereinkünfte von diesen Personen verzichten (außer sie sind Großspender bei der ÖVP). Das wäre ja so, wie wenn ein Bauer mit 10 Kühen sich dagegen entscheidet, 4 von ihnen zu melken, weil sie ihm immer davonlaufen. Um zu diesem einen % zu gehören, muss man übrigens bereits 14 Millionen Euro Nettovermögen pro Haushalt besitzen. Das heißt, als einfacher Millionär ist man da schon eine arme Sau.


Besitz und Arbeit werden anders besteuert


Allerdings besteuert der Staat den Besitz einer Person ganz anders als die Arbeit derselben. Eine andere Regel, die ich auf meiner finanziellen Bildungsreise gelernt habe, besagt deshalb, dass Reiche immer mehrere Einkommensströme haben. Reiche Leute verdienen ihr Geld nicht nur durch Arbeit, sondern z.B. durch Mieteinnahmen, durch Ausschüttungen von Dividenden, durch Einkünfte aus geistigem Eigentum, usw.


Arbeit wird dabei am stärksten versteuert. Der Spitzensatz liegt in Österreich bei 55% (bei Einkünften über 1 Millionen €), aber auch wer über 18000€ verdient, muss schon 35% seines Gehaltes abtreten und arbeitet demnach die ersten 127,75 Tage im Jahr – also bis in die Nacht auf den 8ten Mai – einmal nur für den Staat. Mieteinkünfte aus Immobilien zählen hier mit hinein. Wenn man als geneigte(r) Leser*in also eine Wohnung im ersten Wiener Gemeindebezirk hat, was halt so Usus ist, und mit den Mieteinnahmen plötzlich mehr verdient und in eine andere Steuerklasse fällt, zahlt man auch auf den anderen Teil seiner Einnahmen mehr Steuern. Wer allerdings in Aktien investiert ist und Dividenden kassiert, oder seine 5 Wohnungen in Wien in einer GmbH hat, zahlt weniger; jeweils 27,5%, oder 25% der Einkünfte. Jemand der also vielleicht z.B. selber bei der eigenen GmbH angestellt ist, kann sich so eine Menge Steuern sparen. Wenn man dann noch mit diversen ausländischen Steueroasen arbeitet, dann ist man sowieso fein raus.


Jetzt könnte man sagen: „Mir alles egal, das muss doch irgendwie anders gemacht werden können. Ich habe schon von Freunden gehört, dass ein Besuch von der Steuerfahndung unangenehmer ist, als ein heißes Eisen, das direkt in die Intimregion eingeführt wird… warum gibt’s das nicht auch für die Reichen?“


Es scheint so zu sein, dass diese unangenehme Untersuchung auch bei Reichen gilt, nur nicht automatisch in dem Ausmaß greift wie bei anderen. Wer es sich leisten kann, einen Steuerberater zu bezahlen, wird das ab einem gewissen Zeitpunkt auch tun (Steuerberater kann man übrigens unter gewissen Umständen auch von der Steuer absetzen) und für den Rest bleibt die unangenehme Tatsache, dass man eben mindestens bis Anfang/ Mitte März einmal nur für den Staat arbeitet.



Die Fähigkeit des Staates, Geld von diesen Menschen einzutreiben sei also mal dahingestellt. Ich glaube nicht wirklich daran. Was dann aber noch dazukommt und was diese Initiative ebenso bizarr macht, ist, dass der #taxmenow für mich viel mehr nach einem #pleasedontlynchme klingt; also nach der Bitte, nicht am nächsten Fahnenmast aufgehängt zu werden, denn immer mehr Leute denken sich zu Recht, warum es überhaupt möglich sein kann, so viel Geld anzuhäufen.


Einschub zu Compound Interest


Kurzer Einschub: wenn man schon viel Geld hat, ist es eigentlich relativ einfach:

Einstein hat einmal „Compound Interest“, also die automatische Vermehrung von Kapital als das 8te Weltwunder bezeichnet. Wenn man z.B. eine Summe von 1000€ auf einem Sparbuch liegen hat… dann… kriegt man eh keine Zinsen dafür… also ein blödes Beispiel (lasst im übrigen kein Geld auf dem Sparbuch liegen, die Inflation frisst es auf).


Nehmen wir aber an, wir haben die 1000€ stattdessen in einen ETF auf den S&P 500 investiert, also in eine Ansammlung von Aktien der 500 größten amerikanischen Unternehmen, dann hätte sich historisch gesehen, mit allen Hochs und Tiefs der Aktienmärkte, unser Geld pro Jahr um ca. 7% vermehrt. Nach 10 Jahren wären unsere 1000€, ohne dass wir etwas getan hätten, auf etwas über 2000 angewachsen. Super Sache, oder? Hätten wir allerdings 1 Millionen € investiert, wären es dementsprechend 2 Millionen am Ende dieser Zeit. Wer also mehr Geld zur Verfügung hat, ist auch hier klar im Vorteil.


Es ist dementsprechend um einiges leichter, eine große Menge Geld zu vermehren, als aus einer kleinen Menge eine große Menge zu machen. Die Tatsache, dass einige Wenige immer mehr und öfter dazu neigen, den Großteil allen Kapitals zu besitzen kann man auch anhand der Pareto-Verteilung erkennen, die nicht nur bei Geld gilt, sondern auch in diversen anderen Bereichen unseres Lebens und auch als 80-20 Regel bekannt ist.

(Hier wird das Pareto-Prinzip gut erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=F-I-BVqMiNI)


Dafür bück ich mich nicht mal.


Wenn aber einmal jemand so viel Geld hat, dass er sich für 5000€ nicht mehr bücken würde, wenn sie auf der Straße lägen, weil es dasselbe für ihn ist, wie wenn für unser einer ein 5 Cent Stück runterfällt, dann ist da intuitiv etwas mit der Gesellschaft im Schrägen.


(In Österreich beträgt das Durchschnittsgehalt ca. 29.500€; 5 Cent sind davon 0,00017% 5000€ sind 0,00017% von 2,941 Milliarden €; Sobald jemand also ca. 3Milliarden € hat sind 5000€ für ihn/sie so viel wie für uns 5 Cent Das trifft in Österreich z.B. auf Didi Mateschitz zu, auf den Novomatic Chef Johann Graf und natürlich auf Rene Benko)


Ich kenne die Instinkte der Masse und denke mir, wer weiß, wann da der nächste Jachtbesitzer an einem Laternenmast hängen wird.


Es bleibt den Reichen also eigentlich nicht wirklich eine Wahl übrig. Sie sehen, dass der Staat nicht in der Lage ist, sie zu besteuern, also müssen sie es selbst mit einem Apell versuchen und der kommt sie immer noch günstiger, als eine wirkliche Steuer. Nichts hielte sie immerhin davon ab, das eigene Geld abzugeben. Auch wenn das vielleicht zynisch klingt, ist es mit vielen Social Media Kampagnen. Denn ein Hashtag kostet nichts, soweit ich mich erinnern kann. Einfacher wäre es natürlich, wie es die Philanthropen immer schon vorgemacht haben, selbst so viel Geld auszugeben, wie sie können, um großzügig zu wirken und gleichzeitig so viel zu behalten, dass man neben den anderen Superreichen nicht nackt dasteht, weil man nur noch das eine Privatflugzeug hat.


 
 
 

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